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Beitrag von Susanne Koeb
Auszug aus einem gleichnamigen Artikel, der im „El Tango“, Heft 3 (2005) veröffentlicht wurde



Tango: eine Definition

Das Ziel der folgenden Überlegungen ist es, dem Phänomen Tango etwas näher zu kommen und ihn in der breitgefächerten Welt des Tanzes in die richtige Position zu rücken.


Sozial bescheiden
Im Gegensatz zum Beispiel zum Ballett hat sich der Tango von den unteren Schichten der Gesellschaft nach oben entwickelt. Obwohl es heute (semi-)professionelle Stars gibt, die in Bühnen- oder Straßenvorführungen ihr Können zeigen, widersprechen sowohl Bälle wie auch Theaterbühnen- Aufführungen dem ursprünglichen Wesen des Tango. Es sind kleine, kreisförmige Tanzflächen in bescheidenen Lokalen, wo der Tango groß geworden ist. Make-ups, besondere Kleidung oder Kulissen werden aus diesem Grund relativ spärlich  verwendet.

Multikulturell
Der Tango entwickelte sich zum Ausdrucksmittel einer bestimmten  Volksidentität mit besonderer Berücksichtigung des Zusammenstoßens von mehreren Kulturkreisen.
Beginnend bei der Erklärung für den Namen „Tango“ finden wir drei mögliche Ursprünge: Das spanische tañido als Klang eines Instrumentes, das Wort tambo aus dem Quechua und shángò heißt ein schwarzer afrikanischer Gott des Donners.
Im Buenos Aires und Montevideo des 19. Jahrhundert treffen angolanische und kongolesische Schwarze, andalusische Einwanderer sowie kubanische und deutsche Seemänner aufeinander und sie bringen ihre jeweiligen typischen Instrumente mit: Trommeln, Gitarren, Bandoneon (aus Deutschland) und Violine. Aber nicht nur der Name, die Mischung der Tanzenden und die Zusammenstellung der Instrumente zeugen von einer mulikulturellen Koinzidenz. Die Tanzart im musikalischen Sinne geht in die gleiche Richtung: schwarze Perkussionmusik wird kombiniert mit einer ursprünglich aus Spanien stammenden 2/4-Takt Milonga mit schmachtender Tonalität sowie mit der Habanera, ein Kontertanz, der aus Frankreich nach Kuba gekommen war und von dort aus nach Süden exportiert wurde.

Unpolitisch
Der Tango hat das Zusammengehörigkeitsgefühl und Selbstwertgefühl unter den Einwanderern in Zeiten der Not und Unterdrückung gestärkt und wird daher in seinen Anfängen als eine Ausdrucksform der Einzigartigkeit einer größeren Volksgruppe angesehen. Es war trotzdem nie seine vordringliche Funktion, politische Missstände aufzuzeigen, große Ereignisse eines Volkes zu erzählen oder Hierarchien klar zu stellen.

Das individuelle Paar
Der Tango als Tanz eines Paares (nicht als Solo- oder Gruppentanz) könnte als Metapher sowohl für Stolz und Stärke zweier Partner in einer sozial instabilen Einwanderergesellschaft gedeutet werden als auch als Bild für die wechselseitige Abhängigkeit zur Existenzsicherung gelten. Man konzentriert sich ausschließlich auf den Partner bzw. die Partnerin, das Publikum oder andere Tanzende sind nebensächlich (keine Vortänzer, kein zentrales Paar). Man weicht den anderen aus und will auch selber in Ruhe tanzen (und leben) können.

Gleichberechtigt
Tango ist weder im Sinne eines Kriegertanzes ein Männertanz, noch im Sinne eines „Macho“-Tanzes ein vermännlichter Tanz. Er ist ein Tanz, wo beide Geschlechter relativ gleichberechtigt agieren. Die eindeutige Führung des Herrn –  dort wo sie noch vorhanden ist – verleiht ihm jedoch einen patriarchalen Zug.

Improvisiert
Der Tango ist keine Darstellung von massenhafter Selbstdisziplin (gleiche Kleidung, synchronisierte Bewegungen) sondern der individuelle, schöpferische Ausdruck einzelner KünstlerInnen. Nicht einmal die Tanzrichtung wird so streng vorgegeben wie zum Beispiel beim Walzer. Tango ist auch, was die Figuren und Muster betrifft, ein durch und durch individualisierter Tanz. Es geht in keinen Fall darum, vorgeschriebene, geometrische (Boden)Muster oder Figuren-Wiederholungen auszuführen. Im Gegensatz zum japanischen Kabuki zum Beispiel, den feste Bewegungsabläufe beherrschen, lebt der Tango aus der Improvisation. Musikalische Brüche, plötzliche Schnitte und unverhoffte Synkopen geben den Tänzern und den Tänzerinnen die Gelegenheit, im Fluss der Bewegungen ihre Fähigkeiten zu Stehgreifeinschüben zur Schau zu stellen.

Unterhaltsam
Trotzdem liegt beim Tango der Schwerpunkt eindeutig auf Unterhaltung und weniger auf Virtuosität. Er ist ein Produkt der Straße, er wird daher auch ohne besondere Anlässe getanzt. An Aristoteles sich haltend könnte man die meisten Thematiken des menschlichen Lebens zum Anlass nehmen, um im Tangoschritt das Tanzbein zu schwingen. Die Texte sprechen von Liebe und Liebeskummer, Trinkerei und Abstinenz, Fernweh und Heimweh, von Schönheit und Verderbtheit der Frauen, von Nostalgie und Zukunftshoffnung...

Stimmungsvoll
Das Stimmungsbild, das aufgrund von Musik und Text im Raum steht, wird von den Tänzern aufgenommen und veranlasst sie zu einem bestimmten Tanztempo und zu einer bestimmten Schritt- bzw. Figurenauswahl. Die Bewegungen und Gesten gehen jedoch wenig auf den konkreten Inhalt ein, es handelt sich nicht darum die „Verse zu tanzen“ oder die Geschichten zu spielen. Es handelt sich um einen Tanz, wo das Individuum mehr seine Fähigkeiten zu differenzierten Gefühlen als zu körperlichen Spitzenleistungen zeigen soll. Körperbau und Alter der TänzerInnen spielen aus diesem Grund eine untergeordnete Rolle, es wird mehr Wert auf einen gelassenen Geist und eine erotische Ausstrahlung gelegt.

Erotisch
Der Tango gehört selbstverständlich zu den Werbungstänzen: Erotik und Gefallen am anderen Geschlecht sind die zentralen Themen. Der Tango ist ein symbolisches und sinnliches Liebesduett, das mit viel Körper- und Augenkontakt getanzt wird. Die Bekleidung legt die Betonung auf Beine und Füße: kurze, enge und geschlitzte Röcke sowie teuere Strümpfe und bunte Schuhe unterstreichen die komplizierten Beinbewegungen.

Symbolisch
Bezugnehmend auf die Farbsymbolik ist bemerkenswert, dass die vorherrschenden Farben Schwarz und Rot sind. Beide besitzen einen kräftigen emotionalen Wert (etwas im Gegensatz zu den Pastellfarben des Balletts). Der negative Bedeutungskreis von Rot (Krieg, Blut, Hass, Herz) wandelt sich mit „Herz–Liebe–Blut–Leben“ zum Positiven. Die Assoziationen, welche man mit der Farbe Schwarz verbindet reichen von Tod, Trauer, Finsternis und Geheimnis bis hin zu Ernst, Verzicht, Würde, Eleganz und Alter.

Ausdrucksstark
Tango ist ein Ausdruckstanz, kein abstrakten Tanz, wie der Walzer: Die Köpfe stecken zusammen, das heißt, eine sowohl geistige als auch gefühlsmäßige Übereinstimmung der beiden Partner wird durch den Oberkörper demonstriert. Beides ist sicherlich unerlässlich, um sich gemeinsam im Leben zu behaupten. Das Zentrum der Bewegung ist der untere Teil des Körpers, vorwiegend die Beine. Das Spielen und Streicheln, das Streichen und „Stolpern“ der Füße symbolisiert möglicherweise die Realität des äußeren Lebens, die Wechselfälle der Existenz und jeder (Liebes)Beziehung: die Auf und Abs, Stop und Goes, Push and Pulls... Man macht „keine großen Sprünge“, „verliert den Boden nicht unter den Füßen“, das Blickfeld ist (oder wird) eingeschränkt. Die Körperlichkeit soll nicht aufgehoben, sondern betont werden, und zwar hauptsächlich diejenigen Aspekte, welche Sexualität, Wendigkeit und stolze Haltung betreffen. Diese Mischung aus einem feierlich-ernsten Gesichtsausdruck, langsam-zelebrierten Schritten und  blitzschnell ausgeführten Überraschungseffekten spiegelt vielleicht das ursprüngliche Sein-Wollen (würdevoll, angesehen) und das aktuelle Sein-Müssen (behänd, geschickt) im (damaligen) Leben wider.

Allgemein gültig
Man kann jedoch vom Tango behaupten – und das macht heute seine allgemein-menschliche Gültigkeit aus –, dass jeder und jede seine oder ihre Persönlichkeit in einem der zahlreichen aktuellen Tangostile zum Sprechen bringen kann. Denn auch rascher, humorvoller, ja akrobatischer Tango ist erlaubt und erwünscht und macht diesen Tanz für junge, selbstsichere, erfolgreiche Wohlstandsmenschen unserer Tage genauso attraktiv, wie er in seinen Ursprüngen für die damaligen Einwanderer war.




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