SaTho Tango
Beitrag von SaTho zum Film "Más Tango"
von Anja Hansmann & Sebastian Schnabel, D/ARG 2007, 56 min, OFmdtU „Más Tango ist eine bewegte Zustandsbeschreibung des „neuen“ und des
„alten“ Tango in Buenos Aires.“ - dieser Satz
ist der Pressemappe der Webseite „Más
Tango“ entnommen. Wir haben den
Film schon vor dieser Information gesehen, und es hat sich - wohl auch
begründet auf jene Aussage - zunehmend Unzufriedenheit und Ärger bei uns
breitgemacht, und dies obwohl wir den Film sehr genossen und auch interessant gefunden
haben. Der Hintergrund unserer positiven Gefühle ist wohl der, dass der Film
überhaupt über Tango handelt, dazu noch schöne Bilder zeigt, was sehr wenige
Filme tun, und ein humorvolles altes Paar und ein „cooles“ junges Paar zu Wort
kommen lässt und deren Tanzkünste zeigt. Die Idee
Vertreter des „alten“ und „neuen“ Tangos selbst zu Wort bzw. ins Bild kommen zu
lassen, ist selbstverständlich gut. Der Zuschauer soll sich da wohl selbst ein
Bild machen und seine Meinung bilden können. Nun wissen wir wohl alle, wie
manipulativ solche dokumentarische Anliegen sein können. Je nachdem wen man zu
Wort kommen lässt, je nachdem was man zeigt, und was man nicht zeigt, nimmt
enormen Einfluss auf die Meinungsbildung. In diesem
Sinne würden wir den Film als einen Werbefilm für den „Tango Nuevo (on stage)“
bezeichnen. Schon rein zeitlich betrachtet besteht ein auffälliges Ungleichgewicht
in der Darstellung der beiden (polarisiert dargestellten) verschiedenen
Stilrichtungen des Tangos. Das alte Paar, welches den „alten Tango“
repräsentieren soll, kommt tanzmäßig dabei wenig ins Bild. Die vielen Nuancen
des „alten Tangos“, die dort anzutreffenden verschiedenen Stile, die
kontinuierliche Weiterentwicklung, alles das wird überhaupt nicht angesprochen.
Fast so, als ob es nur die kurz vorgestellte „antiquierte“ Tanzart des im Film
gezeigten alten Paares gäbe, die diese auf Milongas tanzen, und nun als „neuer
Tango“ die Tanzart des jungen Paares. Dieses junge Paar sieht man aber
hauptsächlich Choreographien entwickeln bzw. daran üben und schließlich auch
auftreten. Auch beim Schreiben dieses Kommentars erzeugen die Einseitigkeit und
Schwarz-Weiß-Malerei dieser Darstellungen und Bezeichnungen „alter“ bzw.
„neuer“ Tango in uns ein ungutes Gefühl. Der neue „Tango“ kann ja wohl nicht
nur der sein, der darin besteht, coole Figuren zum Zwecke des Auftrittes auf
der Bühne zu choreographieren, oder? Nach diesem Film, wäre der „neue Tango“
nur für professionelle durchtrainierte Tänzer machbar. Natürlich
entspricht dies überhaupt nicht der Realität. Es hat eine lange Tradition beim
traditionellen Tango, diesen auch im Rahmen von Vorführungen zu zeigen, die bis
heute anhält. Jegliche Verbindung von traditionellen Tangostilen und neueren
Weiterentwicklungen gibt es im Rahmen solcher Aufführungen anzutreffen, genauso
wie im Rahmen von Das junge Paar
im Film sieht in ihren Tanz eine Befreiung aus der Einschränkung der Umarmung.
Er mit langem auffälligem Haar – beim Mann ja seit der Hippiebewegung schon bekannter
Ausdruck von Befreiungsversuchen, Sie in Hosen tanzend und weggebundenen Haar.
– Wohl auch ein Versuch die Konvention zu brechen. Da fragen wir uns: Erleben
nicht auch viele junge Menschen die Nähe und Umarmung im traditionellen Tango
als eine Befreiung aus der zunehmenden Isolation und Entsinnlichung, die in der heutigen
Gesellschaft herrscht? Erfüllen sie sich dort nicht auch eine sinnliche
Sehnsucht? Diese Aspekte erscheinen uns sehr bedeutsam, kommen aber im Film
überhaupt nicht zum Tragen. Befreiung gibt
es im Tango übrigens schon lange. Man denke an Piazolla. Auch ist keineswegs
die in der heutigen Zeit entstehende Tangomusik nur elektronisch. Die im Film
hörbaren Tangomusiker sind jedoch ausschließlich Vertreter des sogenannten
Elektrotangos. Es sind jene Vertreter die auch im europäischen Raum sehr
bekannt sind und wohl zu den kommerziellsten Vertretern der Tangomusik gehören.
Zugegebenermaßen sind diesen einige schöne Tangos bzw. Tangointerpertationen
gelungen. Aber wo sind die vielen anderen Tangoorchester, die sich sehr wohl
schon ihren Platz verdient haben und die vielen gegenwärtigen
Weiterentwicklungen die nicht elektronisch sind, zu denen auch getanzt wird,
und schon lange nicht mehr so, wie es das alte Paar im Film tut?
SaTho-Tango
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